2. SONNTAG im Jahreskreis

Ich frage mich immer: Was will uns der Evangelist Johannes mit dieser Erzählung von der Hochzeit zu Kana sagen, wo die anderen Evangelisten sie nicht einmal erwähnen? Will er einfach nur zeigen, dass Jesus ein gutes Herz hatte und deswegen die Zuständigen für diese Hochzeitsfeier aus einer peinlichen Lage retten will? Eine Hochzeitsfeier ohne Wein war damals wie heute unvorstellbar.

In dieser Erzählung ist das Verhalten von Jesus irgendwie widersprüchlich: Zuerst weist er die Bitte seiner Mutter (ihr Name kommt im Johannesevangelium nicht vor) zurück, weil seine „Stunde“, seine „Zeit“ noch nicht gekommen ist. Und seine Mutter - obwohl Jesus zu ihr ziemlich kantig ist („Frau, das ist meine Sache, nicht deine!) - sagt trotzdem, die Diener sollen tun, was er sagt. Und dann dieser Weinregel „Jeder bringt doch zuerst den guten Wein auf den Tisch, und wenn die Gäste schon reichlich getrunken haben, folgt der schlechtere. Aber du hast den guten Wein bis zuletzt aufgehoben!«, gilt im alten Orient genau sowenig, wie bei uns heute. Die ganze Geschichte klingt irgendwie unrealistisch. Sie ist mit Absicht so gestaltet, um etwas auf etwas ganz Besonderes, auf einen tieferen Sinn hinzuweisen. Und was will Johannes uns deutlich machen?

Die Geschichte beginnt mit dem Satz „Am dritten Tag wurde in Kana in Galiläa eine Hochzeit gefeiert.“ Mit dem „dritten Tag“ ist in der Bibel immer ein Tag gemeint, der außergewöhnlich ist, weil Gott an diesem Tag „aktiv“ wird, eingreift, wirksam wird. „Am dritten Tag“ zum Beispiel ist Jesus von Gott auferweckt worden!

Und weiter: Im Alten Testament wird die Zeit, wo der Messias, der Retter, kommen wird mit einem Hochzeitsfest, mit viel Wein, verglichen. Hochzeit ist in der Bibel ein beliebtes Bild für die endzeitliche, überschwängliche Freude. Deswegen diese sechs Krüge, von denen jeder etwa hundert Liter fasste. Also Wein, Freude, im Überfluss. Später wird Jesus sagen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben." 

Der Evangelist Johannes redet statt von einem Wunder immer von „Zeichen“ - von dem ersten „Zeichen“ von Jesus: Mit Jesus bricht eine neue Zeit an, weil er wahre Freude und wahres Leben, Lebensfreude bringen wird. Die Heilige Teresa von Avila dürfte einmal gesagt haben: „Gott will, dass der Mensch seine Freude hat“. Deswegen hat er Jesus gesandt. Gott will für uns Menschen Leben und Freude im Überfluss.

Aber tief in unseren Erfahrungen spüren wir oft: „Wir haben keinen Wein mehr“. Keinen Wein — keine Freude. Keine Freude am Leben, am Beruf, an der Familie, im Eheleben. Die Krüge unseres Lebens sind leer. Man redet von Burnout-Syndrom, ausgepowert, erschöpft. — Es gibt zwar unzählige Anweisungen, wie das Leben angeblich glücken und wieder festlich gemacht werden kann: durch Wellness, Fitness, Psycho-Trainingsangeboten und Büchern. — Aber all das greift zu kurz. Auch der Trick, man soll immer „positiv Denken“ hat sich inzwischen überholt.

Sind wir uns dessen noch bewusst, dass das Christentum eine zutiefst fröhliche Religion ist, dass es hier um tiefste Lebensfreude geht, die Gott uns schenken will? Das wurde zu oft, im Laufe der Zeit, vergessen. Es wurde immer fast ausschließlich über die „Sündigkeit“ der Menschen geredet. Man hat eher eine Drohbotschaft statt eine Frohe Botschaft verkündet.

Die Erzählung von der Hochzeit zu Kana gibt uns die Richtung. Sie sagt, was Gott will und was er, durch Jesus, hat verkünden lassen. Er will unsere Lebensfreude. Wir müssen deswegen nur tun, was Maria den Dienern gesagt hat: „Was er euch sagt, das tut!“ — Dann können wir die wahre Lebensfreude kosten, wie guter Wein.

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